Grün-Schwarze Bildungspolitik: Spare, Spare, Lehrkraftmangel
Vor wenigen Wochen sorgte die Meldung, dass in Baden-Württemberg 1440 Lehrer*innenstellen durch einen Systemfehler für fast zwei Jahrzehnte nicht besetzt waren für große Irritation. Dabei ist diese jüngste Panne jedoch nur die Spitze des Eisbergs einer katastrophalen Bildungspolitik.
Viel gravierender ist eine Entscheidung, welche das Kultusministerium kurz zuvor getroffen hat: Durch den Wechsel von G8 auf G9 werden bis 2032 weniger Lehrkräfte am Gymnasium benötigt. In konkreten Zahlen bekommen knapp die Hälfte der fertig ausgebildeten Lehrkräfte kein Jobangebot am Gymnasium. Bis 2032 werden sie nicht benötigt.
Das Land versucht nun diese Lehrkräfte an anderen Schulformen unterzubringen. Kretschmann sagt es würde den Lehrkräften sogar gut tun, mal etwas anderes zu sehen. Was wie eine sinnvolle Entscheidung scheint, wird jedoch weder Lehrkräften noch Schüler*innen gerecht. Gymnasiallehrkräfte besitzen keine angemessene pädagogische Ausbildung für die Grundschule. Im Vergleich zu ihren Kolleg*innen aus anderen Schulformen werden sie ohnehin schon zu wenig pädagogisch ausgebildet.
Wenn man so mit Lehrkräften umgeht, steuert man 2032 auf den nächsten Lehrkräftemangel zu. Nicht alle Lehrkräfte werden an eine andere Schulform gehen, viele werden abwandern oder sich umorientieren. Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluss auf Lehramtsstudierende. Ich selbst studiere momentan noch auf Lehramt. Die Betonung liegt auf noch, denn gerade aufgrund aktueller Entwicklungen überlegt man sich zweimal, ob man sich das überhaupt antun will.
Meine Vision: Mehr Lehrkräfte, mehr Förderung, mehr Inklusion
Was wären die Alternativen zum Plan der Landesregierung? Ich sehe in diesem Lehrkraftüberschuss eine einmalige Chance. Nach Jahren des Lehrkräftemangels, der Beschwerden über hohe Belastung, Unterrichtsausfälle oder zu große Klassen könnte man diese Probleme angehen. Auch das Thema Inklusion.
Das Thema Inklusion wird in Baden-Württemberg momentan vernachlässigt. Inklusion ist kein nettes Ideal, sondern seit der UN-Behindertenrechtskonvention ein Menschenrecht. Andere Bundesländer haben das bereits verstanden und seitdem ihre Förderschulen nahezu aufgelöst. In Baden-Württemberg haben wir hingegen seitdem noch stärker getrennt.
In einer kürzlich erschienen Studie des Verbandes Bildung & Erziehung wurden Lehrkräfte zu ihren Einstellungen zum Thema Inklusion befragt. Während ein Großteil der Lehrkräfte Inklusion als sinnvoll ansieht, halten viele Inklusion aufgrund von Ressourcenmangel nicht für umsetzbar. Warum nutzen wir also nicht die überschüssigen Lehrkräfte, um unsere Schulen inklusiver zu machen? Wenn man Lehrkräfte ein Jahr extra ausbilden kann, um sie auf die Grundschule zu schicken, kann man sie auch ein Jahr extra ausbilden, damit sie angebrachtes Fachwissen zum Thema Inklusion besitzen.
Dabei sind es nicht nur Menschen mit Behinderung, die von den zusätzlichen Lehrkräften profitieren könnten. Mit mehr Lehrkräften wäre auch mehr Zeit Schüler und Schülerinnen ohne Beeinträchtigung, ob leistungsstark oder schwach besser zu fördern. Auch Lehrkräfte könnten hiervon profitieren, durch mehr Personal ließe sich die individuelle Belastung verringern.
Bildung ist unsere wichtigste Ressource. Wir müssen aufhören unser Bildungssystem ökonomisch zu denken. Kurzfristige Sparmaßnahmen werden in der Zukunft zu massiven Problemen führen, das zeigt sich bereits am Sanierungsstau von Schulen. Lehrer und Lehrerinnen sind der tragende Teil unseres Bildungssystems. Desto mehr Lehrkräfte wir haben, desto besser.
🖋️ Daniel Busam
📸 Bild von Pexels auf Pixabay