Quo vadis, Kreisfinanzen? – Ein Kommentar von Hans-Peter Kopp

Über den Jahreswechsel 2024/25 war es wiedermal soweit: Der Kreistag durfte sein „Königsrecht“ wahrnehmen und den Kreishaushalt für die Jahre 2025 und 2026 beraten. „Königsrecht“? Das klingt so, als ob man frei entscheiden kann, wie und für was man sein Geld einsetzen möchte. Das ist leider zunehmend weniger der Fall.

Haushalt unter Druck
Die Kreiskasse steht massiv unter Druck. Dieser Druck sollte an die Städte und Gemeinden mit einer geplanten Kreisumlageerhöhung um 5 %-Punkte weitergegeben werden. Jahr für Jahr sollten also rund 40 Mio. EUR mehr von den Steuereinnahmen der 51 Städte und Gemeinden abschöpft werden. Die Bürgermeister, Gemeinderätinnen und Gemeinderäte wissen aber sehr genau, dass es dort auch nichts mehr zu verteilen gibt.

Sozialausgaben steigen seit Jahren
Die finanzielle Schieflage kann hauptsächlich an zwei Punkten festgemacht werden:

Zum einen steigen schon seit vielen Jahren die beim Ortenaukreis verbleibenden Sozialausgaben und deren Verwaltung massiv an. Fast ¾ der 1,8 Mrd. EUR Gesamtausgaben im Doppelhaushalt 2025/26 nämlich 1,3 Mrd. EUR entfallen direkt oder indirekt auf den Sozialbereich (incl. Personalaufwand und alle anderen Kosten). Ungefähr die Hälfte davon erhalten wir von Bund und Land zurück, den Rest, rund 630 Mio. EUR ist jedoch durch uns selber zu finanzieren.

Im Doppelhaushalt 2015/16, waren dies noch 330 Mio. EUR, also in 10 Jahren fast eine Verdoppelung. Das betrifft übrigens hauptsächlich Leistungen wo jeder und jede sagen würde, ja, das ist wichtig und richtig.

So entfallen alleine 250 Mio. EUR auf die sogenannte Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen. Knapp 200 Mio. EUR entfallen auf die Kinder- Jugend und Familienhilfe und mit knapp 75 Mio. EUR ist die Hilfe zur Pflege, also die Übernahme von Heimkosten für Pflegebedürftige Menschen ohne Vermögen und ausreichendem Einkommen ebenfalls eine der großen Positionen.

Bei vielen diesen Positionen wurden durch gesetzliche Regelungen neue Standards und neue Leistungen geschaffen die wir gerne begrüßen – nur fehlt es an der entsprechenden Gegenfinanzierung. Die Finanzierungslücke wird immer größer.

Kliniken in ganz Deutschland unterfinanziert
Gleiches gilt für unsere Kliniken in der Ortenau – der Betrieb ist massiv unterfinanziert und produziert Rekordverluste. Als SPD Fraktion freuen wir uns über gut bezahlte Pflegerinnen und Pfleger und ärztliches Personal. Und natürlich trägt es zu einer qualitätsvollen Gesundheitsversorgung bei, wenn die Standards immer wieder überprüft und meist auf einem höheren Niveau festgesetzt werden – aber das muss auch finanziert werden.

Und da liegt der Hase im Pfeffer. Leider halten die Vergütungen, die unsere Kliniken von den Krankenkassen bekommen hier schon lange nicht mehr Schritt. Und das ist kein Ortenau-Phänomen. Landauf und landab ist es fast schon die Regel, dass Kliniken der Allgemeinversorgung massive Verluste einfahren. In der Ortenau müssen rund 40 Mio. Defizit aus 2024 im Kreishaushalt ausgeglichen werden.

Hinzu kommt noch, dass wir für die wichtige und richtige Umstrukturierung unserer Kliniklandschaft und die Investitionen in neue Kliniken von 2021 bis 2030 rund 175 Mio. EUR als Eigenkapital „ansparen“ für die Zukunftsprojekte der AGENDA 2030, die alle notwendiger denn je sind. Man kann also mit Fug und Recht nachweisen, dass uns die Gesundheitsversorgung lieb aber auch teuer ist.

Die Kreisverwaltung hat hier noch einen darauf gesetzt und wollte noch die in den nächsten Jahren anfallenden 90 Mio. EUR Bauzeitzinsen für die Klinikinvestitionen der AGENDA 2030 über die Kreisumlage von den Städten und Gemeinden einsammeln. Die SPD Fraktion hat diesem Plan einen Strich durch die Rechnung gemacht und mit einem Haushaltsantrag nachgewiesen, dass dies weder notwendig ist noch die einschlägigen gesetzlichen Vorgaben dies zwingend erfordern – im Gegenteil.

SPD-Fraktion verhindert zusätzliche Belastung der Kommunen
Wenn schon die Investitionen voll vom Ortenaukreis getragen werden, dann muss es möglich sein ab 2031 diese Bauzeitzinsen durch die Kliniken zu erwirtschaften und nicht durch den Steuerzahler. Die Städte und Gemeinden wurden dadurch um sage und schreibe 12 Mio. EUR pro Jahr entlastet, die Kreisumlage um „nur“ 4 % Punkte angehoben.

Freiwillige Leistungen sind kein ausreichender Hebel
Natürlich ist es richtig, darüber hinaus – wie von anderen Fraktionen gefordert – sich auch die wenigen freiwilligen Leistungen anzuschauen. Nur reden wir von komplett anderen Dimensionen. Und wenn hier wirklich mal 20 oder gar 100 TEUR gespart werden können, dann oft auf Kosten wichtiger Institutionen und Einrichtungen ohne an den wirklichen Gründen der Unterfinanzierung etwas zu ändern.

SPD Fraktion fordert Generaldebatte
Die SPD Fraktion hat deshalb als zweiten Haushaltsantrag eine Generaldebatte im Laufe der nächsten Monate gefordert, bei der wir uns auch die großen, gesetzlich vorgegebenen Auf- und Ausgabenblöcke wie z.B. Jugendhilfe, Eingliederungshilfe, etc. anschauen und Fragen beantwortet haben wollen wie z.B.

·         wo standen wir vor z.B. 10 Jahren und wo stehen wir heute?

·         Wie sind wir im Sinne der Konnexität ausfinanziert – also was bekommen wir von Bund und Land für die Aufgaben, die man uns auferlegt und wie groß ist die Lücke?

·         Wie hat sich – neben den enormen Kostensteigerungen – die Leistung / die Wirksamkeit und damit die Lebenswirklichkeit für die Menschen in der Ortenau dadurch verbessert?

·         Und zu guter Letzt: wie hoch war hierfür der zusätzliche bürokratische Aufwand?

Verschuldung als Zukunftsfrage
Ein weiterer Teil dieser Generaldebatte soll sein, wie wir im Ortenaukreis mit dem Thema „Verschuldung“ umgehen wollen, insbesondere welche Schuldenhöhe überhaupt vertretbar ist.

Verantwortung für Klarheit und Verlässlichkeit
Der SPD Fraktion liegt es am Herzen sowohl für die Kreisräte als auch die Bürgerschaft Klarheit und Verlässlichkeit darüber zu schaffen, was wir uns leisten können und auch sollten, für welche Zukunftsinvestitionen vielleicht auch Schulden vertretbar sind und was eben auch nicht geht. Wir sind bereit hier Verantwortung zu übernehmen und dies prägt auch unseren Umgang dem Kreishaushalt und letztlich mit dem Geld unserer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

🖋️ Hans-Peter Kopp
📸 pixabay  |  Hans-Peter Kopp (privat)

Hans-Peter Kopp (*1964) ist seit mehr als 10 Jahren Bürgermeister für Finanzen, Kultur und Soziales der Stadt Offenburg. Als Vorsitzender führt er die Fraktion der SPD im Ortenauer Kreistag an. Hans-Peter Kopp steht wie kein anderer für kommunalpolitische Verantwortung und die enge Verbindung von lokaler Verantwortung und politischem Engagement.

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ZUM AUTOR

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